Ö P N V - Öffentlicher Personennahverkehr
Letzte Aktualisierung: 27. Dezember 2007
Ö P N V - Teil 4
B. Stadtbus Bad Soden am Taunus – neue Linienführung, neue Zeiten
(Essenz einer Vortragsveranstaltung im Bürgerhaus in Neuenhain am 5. Juni 2002 [4])
Der Stadtbus Bad Soden am Taunus wurde ursprünglich einmal in Eigenregie durch die Stadtwerke eingeführt. Betreiber war die Firma
Diehl im Auftrag der Stadt. Die entsprechende Konzession liegt auch heute noch bei der Stadt mit der Maßgabe und Möglichkeit der
Bedienung aller drei Stadtteile durch eine innerstädtische Buslinie. Anfangs kostete eine Fahrt eine Mark; zudem gab es noch verbilligte
Zehnerkarten zu acht Mark.
Mit Einführung des FVV wurden die städtischen Linien in den Verbund (Linienbezeichnung 828) integriert und die Betriebsführung über die
MTV der FKE übertragen. Dies hat – neben der Tatsache, dass für die Stadt die Betriebsführung, Kontrolle und die aufwendige Abrechnung
entfällt - den Vorteil, dass man mit nur einem Fahrschein alle Verkehrsmittel des Verbundnetzes nutzen kann, aber auch den großen
Nachteil, dass die Fahrten innerhalb der Stadt erheblich teurer geworden sind. Eine einfache Fahrt im Bereich der RMV-Wabe 6637, die
allerdings auch Sulzbach, das MTZ und Liederbach einschließt, kostet heute EUR 1,30. Für eine Fahrt beispielsweise von den Taunus
Residenzen zur Innenstadt (Fahrtzeit fünf Minuten) und zurück müssen EUR 2,60 (umgerechnet DM 5,00) angelegt werden, kein Wunder
also, dass sich dies viele Fahrgäste mehr als dreimal überlegen. Eine Verbilligung der innerstädtischen Verbindungen des Stadtbusses wäre
zwar nach den Bedingungen des RMV möglich (Beispiel Kronberg), erfordert aber einen immensen Verwaltungsaufwand und würde
bedeuten, dass sich der Zuschussbedarf der Stadt für den Stadtbus noch weiter erhöhen würde.
Der Stadtbus Bad Soden verzeichnet – nach einer im März 2002 durchgeführten Stichprobe, die, da keine Wiederholungsbefragung
stattfand, mit einer Fehlerquote von +/- 7 % behaftet ist - etwa 75.000 Beförderungsfälle pro Jahr. Dafür werden etwa 55.000 Kilometer
zurückgelegt. Alleine 65.000 Fahrgäste entfallen auf die Fahrten nach Neuenhain, der Rest auf die Kurse in der Kernstadt. Damit liegt der
Stadtbus, was die durchschnittliche Auslastung über den ganzen Tag betrifft, im guten Mittelfeld vergleichbarer Städte in Deutschland.
Gute Stadtbussysteme regenerieren 12 Fahrgäste pro Einwohner und Jahr, bezogen auf die Anzahl der eingesetzten Busse, weniger gute
erreichen nur eine Quote von 3 (Quelle: OSC Studie). Im Einzugsbereich des Sodener Stadtbusses wohnen etwa 12.000 Personen. Das
entspricht einer gerade noch tolerierbaren Marktausschöpfung von 6,25 Fahrgästen pro angebundenem Einwohner. Das Ergebnis würde
deutlich besser ausfallen, wenn der Stadtbus nicht mit dem Manko zu kämpfen hätte, dass er mit anderen Lokal- und Regionalbuslinien
des RMV in Konkurrenz treten müsste, was sein Betriebsergebnis, bedingt durch die unvermeidlichen Parallelverkehre, logischerweise
deutlich schmälert. Auf folgenden Streckenabschnitten teilt sich der Stadtbus nämlich das Fahrgastaufkommen mit folgenden Linien
•
802 und 803 Bahnhof – Neuenhain
•
802 und 803 Bahnhof – Rosenthalstraße/Musikerviertel
•
812 Bahnhof – Kreiskrankenhaus
•
812 Bahnhof – Friedhof Bad Soden
Von den am Erhebungstag gezählten 279 Fahrgästen entfielen
•
230 (82 %) auf die Strecke nach Neuenhain (rot)
•
37 (13 %) auf die Strecke Schwimmbad – Musikerviertel (grün)
•
4 (1 %) auf die Strecke zu den Taunus Residenzen (braun)
•
8 (3 %) auf die den sogenannten Schülerverkehr (gelb).
Nachfolgende Grafiken verdeutlichen das Gesagte.
Tabelle 1
Tabelle 2
Tabelle 6
Vorstehende Tabellen zeigen auf, dass der Stadtbus entgegen der landläufigen Meinung überwiegend von Berufstätigen, die im Besitz
einer Zeitkarte sind, genutzt wird. Der Anteil an Freifahrten mit Schwerbehindertenausweis liegt weit über der für Hessen ermittelten
Durchschnittsquote von 3 %. Das wirft die berechtigte Frage auf, ob es sich lohnen könnte, einen Antrag beim Land auf erhöhten Zuschuss
zu stellen. Der Anteil an Fahrgästen mit abgelaufener Gültigkeit des Fahrscheins ist beim Stadtbus mit 1,1 % minimal (RMV 8 %).
Insgesamt sind es nach der Erhebung vom März 2002 etwa 200 Personen, die den Stadtbus mindestens an vier Tagen in der Woche nutzen,
weitere 100 Personen fahren ein- bis dreimal in der Woche jeweils zwei Teilstrecken. Zusammen genommen sind also etwa 300 Bürger
mehr oder weniger auf den Stadtbus angewiesen. Weitere 200 Personen würden es als Wenigfahrer bedauern, wenn der Stadtbus einmal
nicht mehr oder nur eingeschränkt verkehren würde.
Zwei weitere interessante Ergebnisse förderte die Erhebung noch zu Tage:
-
am „Augustinum“ steigen 34 Fahrgäste mehr aus als ein und
-
bei der Haltestelle „Obere Hauptstraße“ steigen 26 Fahrgäste mehr ein als aus.
Dieses Phänomen ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Zur Fahrt vom Augustinum in die Stadt bilden die Heimbewohner oft
Fahrgemeinschaften, entweder mit dem Taxi, das dann für jeden Einzelnen gesehen billiger kommt als vier Einzelfahrscheine, oder mit
Autos von anderen Mitbewohnern. Nach unterschiedlich lange dauernden Erledigungen nehmen die Heimbewohner dann für die
Rückfahrt den Bus. Zum Einsteigen von dem Wohngebiet „Sandwiese“ ist die Haltestelle „Obere Hauptstraße“ günstiger zu erreichen, als die
weiter bergauf liegende Haltestelle der Linie 802, zumal auch noch die viel befahrene Königsteiner Straße ungesichert überquert werden
muss. Auf der Rückfahrt ist der Bus 802 dann jedoch bedeutend schneller, er verkehrt öfters und die Haltestelle „Sandwiese“ hat zudem
unmittelbare Anbindung über einen bequemen Fußweg zur Wohnung. Entsprechend sind natürlich auch die Ein- und Aussteiger am
Bahnhof nicht ganz paarig (14 steigen mehr ein als aus).
Mit dem Jahresfahrplan 2003 wurden die Abfahrtszeiten auf einen konsequenten, leicht merkbaren Takt (also ohne die davor nachteiligen
Taktsprünge am Nachmittag) umgestellt. Der Bus fährt nunmehr immer zur Minute 13 nach Neuenhain (außer – leicht zu merken - 13:13
Uhr) und vom ab Augustinum zum Bahnhof zur Minute 31 (Eselsbrücke: die 13 umgekehrt!). Verdichtungsfahrten verkehren zusätzlich um
7 und 17 Uhr zur Minute 43, weitere kleine Abweichungen sind nur für den Verkehr an 6 zu beachten.
Nicht über das Augustinum verkehren, um den Taktfahrplan im Berufsverkehr einhalten zu können, die Talfahrten um 8 und 18 Uhr. Immer
wieder wird die Frage gestellt, warum der Bus auf der Hin- und Rückfahrt, also zweimal innerhalb weniger Minuten, über den
Rotherweingarten Weg geführt werden muss. Dies ist einmal dadurch begründet, dass Heimbewohner gerne zum Einkaufen, Kaffeetrinken
oder zu privaten Erledigungen nach Neuenhain fahren wollen und anders nicht mehr zurück kämen, zum anderen aber auch damit, dass
Beschäftigte des Augustinums den Bus gegenlastig nutzen.
Fahrten zum Schwimmbad und ins Musikerviertel gibt es – zwischen 8 und 18 Uhr – seit zwei Jahren – auch leicht zu merken - immer in den
geraden Stunden zur Minute 43. Allein die Einführung dieses klaren Taktes und die Tatsache, dass der Bus bereits kurz nach Eintreffen der
Bahnen abfährt – und nicht wie vorher mit einer Übergangszeit von 13 Minuten – hat dazu geführt, dass sich die Fahrgastzahlen -
zugegeben von niedrigem Niveau ausgehend – hier innerhalb eines Jahres mindestens verdoppelt haben.
Der Ringverkehr in der Kernverkehr hat den gravierenden Nachteil, dass der Fahrplan entweder nur auf die Ankunft oder die Abfahrt der
Züge und Busse am Bahnhof ausgerichtet sein kann. Man hat sich auf die Ankunft der Züge geeinigt, zumal im morgendlichen
Berufsverkehr, abgesehen von einer Fahrt zu Schulbeginn, aus Kapazitätsgründen keine zusätzliche Anbindung möglich ist und die
Fahrgäste in der Frühe lieber bergab zum Bahnhof zu Fuß gehen als abends den beschwerlicheren Weg bergauf zur Wohnung ins
„Vogelviertel“ zu laufen.
Dennoch wäre noch eine weitere Verbesserung des Angebotes möglich, einfach alleine dadurch, dass man den langen Linienverlauf in der
Kernstadt am Friedhof teilt und den Bus wechselweise über das Schwimmbad oder durch das Musikerviertel (und zusätzlich zum
Gewerbepark [Aldi]) verkehren lassen könnte. Hierzu muss allerdings zunächst die Kostenfrage geklärt sein und die Vorschriften der
Lenkzeiten-Verordnung für die Fahrer müssen beachtet werden. Zum Friedhof Bad Soden und dem Wohngebiet Carlusbaum entstünde
aber - als größter Vorteil in Verbindung mit der Linie 812 - quasi ein 30-Minutentakt. Die Attraktivität des Stadtbusses und somit die
Fahrgastzahlen in der Kernstadt lassen sich auf diese Weise noch einmal geringfügig steigern. Ein Entwurf über einen entsprechenden
Vorschlag kann per e-Mail angefordert werden.
Leistungen für Stadtverkehre werden üblicherweise nach Einsatzstunden und nicht wie bei Überlandlinien nach gefahrenen Kilometern
dem Besteller (Stadt) in Rechnung gestellt. Aus dieser Sicht ist das Konzept des derzeitigen Fahrplans ausgewogen und die Bedienung der
Stadtteile voll ausgereizt. Verdichtungen sind nicht mehr ohne weiteres oder nur in ganz begrenztem Umfang möglich. Streichungen von
wenig frequentierten Fahrten, z.B. solche über die Max-Baginski-Straße zu den Taunus Residenzen erbringen auf der anderen Seite
keinerlei Kosteneinsparungen.
In Zeiten knapper Haushaltsmittel gilt es, den Deckungsgrad zu steigern und das Betriebsergebnis zu verbessern. Es sind also alle
Anstrengungen darin zu setzen, den Bekanntheitsgrad des Stadtbusses noch weiter zu steigern und den Fahrplan noch attraktiver zu
machen, damit der Bus noch besser von den Bürgern, für die er gedacht ist, angenommen wird. Langfristig sollten auch nicht immer nur
die in Bad Vilbel ausgemusterten Fahrzeuge der Firma Connex in Bad Soden zum Einsatz kommen, sondern ein moderner, klimatisierter
Midibus. Aber auch das ist letztlich eine Frage der Kosten und der Konditionen. Der Sodener Stadtbus ist, wie oft abwertend zu hören ist
und wie es auch die Erhebung belegt, kein „Rentnerbus“.
Nachtrag (Dezember 2007):
Mit dem Jahresfahrplan 2008 darf das Kapitel "Stadtbus Bad Soden am Taunus" neu geschrieben werden. In einer Veranstaltung im
Bürgerhaus in Neuenhain im Juni 2002 habe ich mein Konzept zur Optimierung der Busverkehre in der Badestadt vorgestellt. Es mündete
in der Überlegung, zur Reduzierung von Parallelverkehren den Stadtbus nach Neuenhain und die Linie 803 miteinander zu verschmelzen.
Zu exakt dem gleichen Ergebnis kam ein Expertenteam, das im Auftrag der MTV die Verkehre im östlichen MTK im Rahmen der
europaweiten Ausschreibung der Linienbündel 40.1, 40.neu und 40.2 überarbeitete. Dabei geht die Umsetzung weit über das hinaus, was
ich seinerzeit zu fordern wagte. So wird Altenhain und das Augustinum an allen Verkehrstagen bis weit nach Mitternacht bedient und am
Wochenende, also auch an Sonn- und Feiertagen, gibt es einen durchgängigen Stundentakt. Wie auch von mir vorgeschlagen, werden
einige Verdichtungsfahrten in Altenhain gebrochen.
Am Bahnhof in Bad Soden besteht nunmehr - wie auch von mir ebenfalls 2002 gefordert - jeweils zur Minute 45 durchgängig ein
vollwertiger Umsteigeknoten (Sammelanschluss), in der HVZ zusätzlich auch zur Minute 15. Nachdem bereits zum Jahresfahrplan 2007 die
Linie 812 um 30 Minuten verschoben und in der HVZ auf 30 Minuten verdichtet wurde und sie nun auch sonntags im Abschnitt Hofheim -
Bad Soden verkehrt, kann am Sodener Bahnhof jetzt jederzeit aus allen Richtungen in alle Richtungen umgestiegen werden - und das mit
weitgehender Garantie der Einhaltung der Reisekette. Die Busfahrer haben zudem die Anweisung, auf verspätete Anschlüsse 5 Minuten zu
warten (bei der letzten Bahn sogar 15 Minuten!).
Die neu konzipierte Ringlinie des Stadtbusses 828 bedient nur noch mit einem bedarfsgerechten Kleinbus die Kernstadt im konsequenten
Zweistundentakt (s. Foto).
Der funkelnagelneue 12-Sitzer von HLB Bus, Hofheim
Befürchtungen, dass es im Bereich des Busbahnhofes zu Rückstaus der gleichzeitig dort wartenden bis zu sieben Bussen kommen könnte,
sind bisher nicht eingetreten. Vereinzelt ist es - erwartungsgemäß - zu Protesten gekommen, und zwar betrifft dies in erster Linie die
Auflassung der Haltestellen "Obere Hauptstraße" und "Am Schnittelberg". Es überwiegen jedoch deutlich die positiven Stimmen und nach
drei Wochen Betrieb kann festgestellt werden, dass mit dem neuen Konzept und damit einhergehend einer Verdopplung des Angebotes
viele Neuenhainer und Altenhainer als neue Kunden, insbesondere auf der Linie 803, gewonnen werden konnten. Es bleibt die Hoffnung,
dass nun auch das Nachtangebot der Linie 803 entsprechend angenommen wird.
Und das schrieb die Presse (Bad Sodener Echo, 7. Dezember 2007):
Tabelle 4
Tabelle 5
Der "alte" Stadtbus ist jetzt ab und zu auf der Linie
803 im Einsatz
Tabelle 3